Lange ersehnt, der sonnige Wintertag. In Rom.
Endlich. Farbe nach der Eintönigkeit der vergangenen Monate.
Das Blau des Himmels etwa und der weiße Marmor.
Im Park der Villa Borghese.
Hasenfontäne. Das bisschen Spucke.
Ein Fliegerpilot. Ins Meer gestürzt.
Und alles überragend
Mitten im Park. Auf dem Monte Pincio.
Das Denkmal ist ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II an die Stadt Rom. Enthüllt 1904 im Beisein des italienischen Königs, dem die Stadt später sein eigenes, monströses Ehrenmal errichtete.
Goethe, der literarische Gipfelstürmer. In Szene gesetzt von einem begeisterten Anhänger. Gustav Eberlein, Künstler des Kaiserreichs und Italienkenner. Hat sich lange Zeit am Neobarock eines Bildhauerkollegen abgearbeitet. Und war dem Kaiser stets zu Diensten. Reiterstandbilder, Ehrenmale, Memorials.
Denkmalrausch.
Auch hier.
Der junge Goethe auf einen Sockel gestellt. Zeitgenössisch gewandet auf dem Podium der klassischen Antike. Nichts deutet hin auf einen Widerstreit zwischen Moderne und Tradition. Kein Aufbruch, nur Erhabenheit.
Wie im Ausstellungskatalog „Ethos und Pathos. Die Berliner Bildhauerschule 1786-1914“ nachzulesen ist, versinnbildlichen die drei Skulpturengruppen am Sockel des Denkmals die Kulturnationen:
Griechenland und die dramatische Dichtung mit Iphigenie und Orest
Italien und die lyrische Dichtung mit Mignon und dem Harfner
und Deutschland und die Philosophie mit Faust und Mephisto.
Alter, getriebener, ausgezehrter Faust.
Mephisto, klauenfüßiges Schlitzohr.
Goethe also. Auf seinem Weg empor in den Dichterhimmel.
Großes Theater. Gewaltige Inszenierung. Schaurig. Schön.
Über uns zieht es sich zu. Graue Wolken. Leichtes Frösteln.
Ein Wintertag in Rom.
Schnell. In die Vatikanischen Museen. Den Wind betrachten.